Recycling
Die Anpassung der Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA; SR 814.600, 2015) schränkt die Deponierungsmöglichkeiten für Ausbauasphalt zunehmend ein. Diese gesetzliche Entwicklung fördert den Einsatz von Recycling-Asphalt (Reclaimed Asphalt Pavement, RAP) und trägt zur Schliessung von Stoffkreisläufen, zur Reduktion von Abfällen und zur Ressourcenschonung im Strassenbau bei. Parallel dazu ist in der Schweiz und im europäischen Ausland ein klarer Trend zu höheren Recyclingquoten in Asphaltmischungen erkennbar. Während die geltenden Normen derzeit RAP-Anteile von 20 bis 80 % je nach Schichttyp und Lastklasse erlauben, zielen aktuelle Entwicklungen auf eine Ausweitung bis zu 100 % für untere und mittlere Schichten ab (VSS, 2022a).
Ökologische Bewertung des RAP-Einsatzes
Mehrere Ökobilanzstudien belegen den deutlichen ökologischen Nutzen des Einsatzes von RAP. Kytzia und Pohl (2021) zeigen, dass der Einsatz von 50 % RAP in der Deckschicht und 60 % in der Binderschicht die Umweltbelastung (ausgedrückt in Umweltbelastungspunkten, UBP) um 20–35 % gegenüber einem Neubau ohne RAP senken kann. Diese Reduktion umfasst die Phasen Bau, Rückbau und Unterhalt. Verglichen mit anderen umweltrelevanten Massnahmen – etwa der Absenkung der Herstellungstemperatur (Niedertemperaturasphalte) oder der Zugabe alternativer Materialien wie Altreifen oder Schlacken – erzielt RAP eine deutlich höhere ökologische Wirkung (Poulikakos et al., 20191 ; Mikhailenko et al., 20202 ; Piao et al., 20223 ).
Die wesentliche Umweltwirkung ergibt sich dabei aus der Wiederverwendung des bitumenhaltigen Anteils, der besonders ressourcenintensiv ist. Liechti et al. (2016)4 berücksichtigten in ihrer Lebenszyklusanalyse (LCA) auch eine potenziell erhöhte Belastung durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in alten Belägen. Selbst unter dieser Annahme überwiegen die ökologischen Vorteile des RAP-Einsatzes die potenziellen Umweltrisiken.
Technologische Entwicklungen und Verfahren
Um den RAP-Anteil im Mischgut zu maximieren, optimieren viele Mischwerke ihre Herstellungsprozesse kontinuierlich. Neben der werkseigenen Aufbereitung gewinnt auch das sogenannte In-Place Recycling an Bedeutung, bei dem der ausgebaute Asphalt direkt vor Ort aufbereitet und wieder eingebaut wird. Dieses Verfahren, das häufig die Zugabe von Verjüngungsmitteln beinhaltet, wird im europäischen Ausland bereits erfolgreich angewendet (Hafeez, Ozer und Al-Qadi, 2014)5 .
Anforderungen und Herausforderungen bei SDA-Belägen
Die Anwendung von RAP in offenporigen lärmmindernden Belägen stellt besondere Anforderungen an die Materialqualität und die Korngrössenverteilung. Insbesondere die engen Siebkurven, die geringe maximale Korngrösse (z. B. bei SDA 4) sowie der niedrige Fülleranteil erschweren die Zugabe von RAP. Voraussetzung für die Verwendung in hochwertigen SDA-Belägen ist daher ein sortenreiner, schichtweiser Ausbau sowie eine optimierte Lagerung und Verarbeitung im Mischwerk.
Falls das gewonnene RAP die Anforderungen an eine SDA-Deckschicht nicht erfüllt, kann es – insbesondere bei PmB-haltigen Rezepturen – in der Binderschicht weiterverwendet werden. In der Schweiz steht das Recycling von SDA-Belägen noch am Anfang. Obwohl der potenzielle Nutzen wissenschaftlich belegt ist, fehlen bislang umfangreiche praktische Erfahrungen und standardisierte Verfahren.
Aktuelle Forschungs- und Praxisbeispiele
Ein zentrales Schweizer Beispiel stellt der 2022 realisierte Testabschnitt in Le Landeron (Kanton Neuenburg) dar, bei dem ein SDA 4-16 mit 10 % RAP hergestellt wurde (Saurer, Probst und Schaller, 2024). Drei Varianten wurden untersucht: eine Mischung mit konventionellem Bitumen, eine mit PmB und eine mit Krümelgummi (RmA). Die Resultate der Wasserempfindlichkeitsprüfung nach EN 12697-12 zeigten für die RAP-haltigen Mischungen gleichwertige oder leicht verbesserte ITSR-Werte im Vergleich zum Referenzbelag. Lediglich der Marshall-Hohlraumanteil (HR %) war bei den Gummimischungen geringer, was auf die Füllwirkung der Gummipartikel oder eine Überkompensation des Bitumengehalts zurückgeführt wird.
Die CPX-Messungen im ersten Betriebsjahr ergaben, dass sowohl die konventionellen als auch die RAP-haltigen SDA-Abschnitte gute akustische Leistungen aufwiesen. Lediglich die Varianten mit Gummizusatz erreichten die für SDA 4-16 typischen ≤ 6 dB nicht, was wiederum mit den unterschiedlichen Verdichtungsgraden korrelieren könnte. Insgesamt zeigte sich, dass ein RAP-Anteil von 10 % keine signifikanten negativen Einflüsse auf die mechanische oder akustische Performance hatte.
Alternative Zuschlagstoffe und Ökobilanzaspekte
Neben RAP wurden in jüngeren Studien weitere Sekundärmaterialien in SDA untersucht. Der Einsatz von Kautschuk (0,7–1,0 wt%) im Trockenverfahren führte zu vergleichbaren mechanischen Eigenschaften wie bei konventionellen SDA und ermöglicht potenziell den Verzicht auf polymermodifiziertes Bitumen (Bueno et al., 20216 ). Auch recycelte Betonzuschläge (RCA) und Elektrolichtbogenofenschlacke (EAFS) wurden erfolgreich getestet (Mikhailenko et al., 20227 ; Mikhailenko, Piao und Poulikakos, 2023)8 . Bei einem Ersatzanteil von bis zu 15 Vol.-% blieben die mechanische Leistung und Haltbarkeit unverändert. Ökobilanziell zeigte sich jedoch, dass RCA und Kautschuk nur geringe Verbesserungen bewirken, während der Einsatz von EAFS aufgrund der reduzierten Deponierung das grösste ökologische Potenzial bietet (Piao et al., 2023)9 .
Schlussfolgerung
Das Recycling von SDA-Belägen gewinnt in der Schweiz zunehmend an Bedeutung, insbesondere angesichts der grossen Anzahl alternder Beläge, die ihre Lebensdauer erreicht haben. Obwohl erste praktische Erfahrungen, wie in Le Landeron, vielversprechend sind, fehlen bislang standardisierte Verfahren und Strategien für die Bewirtschaftung von SDA-RAP. Die spezifische Kornzusammensetzung und die hohen Dauerhaftigkeitsanforderungen stellen dabei zentrale Herausforderungen dar.
Langfristig ist ein strukturierter Plan zur Sammlung, Aufbereitung und Wiederverwendung von SDA-RAP notwendig, um die bestehenden ökologischen und technischen Potenziale voll auszuschöpfen und den Übergang zu einer zirkulären Asphaltwirtschaft zu ermöglichen.